In der Schule war alles ganz anders. Der Lehrer stellte eine Frage, man grübelte ein Weilchen, und dann, wenn man die Antwort wusste, hob man die Hand und sagte, was immer einem eingefallen war. Mit Glück stimmte es sogar gelegentlich. Ab und an kam nach der Antwort noch ein “Warum?” oder “Könnten Sie das bitte auch für die anderen erklären?”. Das Ganze lief also nach dem Schema: Frage - Antwort - ggf. Begründung ab. Eigentlich ganz einleuchtend.
Im Gutachtenstil funktioniert es genau andersherum. Und genau das ist vielleicht das Schwierigste, was man als Jura-Anfänger lernen muss. Das altbekannte Schema wird auf den Kopf gestellt. Es heißt nicht mehr “Frage - Antwort - ggf. Begründung”, sondern auf einmal: “Frage - Prüfung - Ergebnis”. Nicht nur in der Klausur, sondern auch schon in den Arbeitsgemeinschaften und Übungen, also in der mündlichen Diskussion.
Natürlich fragt man sich, muss das denn sein? Sollte es nicht mehr auf die richtige Antwort ankommen als auf die Technik, in der ich sie präsentiere? - Nun, auf die kommt es natürlich an. Aber - welches ist die “richtige” Antwort? Das ist in der Rechtswissenschaft meistens leider nicht so einfach. Und oft gibt es mehrere “richtige” Antworten. Entscheidend ist die Begründung, die zu dieser Antwort geführt hat; ein wenig wie im Matheunterricht, wo man seinen “Lösungsweg” darstellen musste. Hier ist es stattdessen die “Fallprüfung”, um die es geht. Und sie besteht im Grunde genommen aus unzähligen kleinen Antworten, die am Ende zu einem Ergebnis führen. Ein Beispiel (nur ganz leicht überspitzt formuliert ;-)):
Frage: A behauptet, B sein Motorrad für 4.000,- verkauft zu haben, und verlangt von B, diesen Betrag an ihn zu bezahlen. Hat A recht?
“Schulantwort”: Ja, weil, im Sachverhalt steht ja, der A hat dem B das verkauft, und deshalb muss er es auch bezahlen.
“Jura-Antwort”: A könnte einen Anspruch auf diese 4.000,- gegen B haben, wenn zunächst zwischen beiden ein Kaufvertrag nach § 433 BGB zustande gekommen ist.
Die “Jura-Antwort” sieht auf den ersten Blick gar nicht wie eine Antwort aus; sie bestätigt oder verneint ja nichts, sondern stellt nur eine Hypothese (den berühmten “Obersatz”) auf. Dennoch enthält sie sehr viel mehr Informationen als die “Schulantwort”: Sie sagt uns vor allem, dass das Vorhandensein eines Kaufvertrags nach § 433 BGB für den Zahlungsanspruch entscheidend ist - das heißt, sie gibt uns den nächsten Schritt vor, der auf dem Weg zu einem sauberen juristischen Ergebnis hin zu tun ist, nämlich: Prüfung der Tatbestandsmerkmale von § 433 BGB. Insgesamt gibt sie folgende “kleine” Antworten: Erstens, wir befinden uns im Zivilrecht, Schuldrecht, um genau zu sein. Zweitens, es muss ein Kaufvertrag zustande gekommen sein, damit As Anspruch berechtigt ist. Drittens - das sagt das Wörtchen “zunächst” - es gibt noch andere Voraussetzungen, die geprüft werden müssen, wenn der Kaufvertrag bejaht werden konnte. Die “Jura-Antwort” ist also, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so klingt, sehr viel mehr eine Antwort als die “Schulantwort”. Und sie gibt auch gleichzeitig den weiteren Prüfungsweg vor.
Wie schafft man es, sich innerlich so umzustellen, dass einem die “Jura-Antwort” leichter von der Zunge geht? Man muss das erste, impulsive “Ja” oder “Nein” schlicht hinunterschlucken. Stattdessen sagt man sich im Inneren noch einmal die gestellte Frage vor - im Beispiel oben: Hat A recht? - und tut dann im Grunde nichts weiter, als sie in einen Konditionalsatz umzuformulieren: A hat recht, wenn - Und wenn einem für dieses “wenn” etwas eingefallen ist - dann hat man den ersten Einstiegspunkt in die Fallprüfung gefunden.
Im Gutachtenstil funktioniert es genau andersherum. Und genau das ist vielleicht das Schwierigste, was man als Jura-Anfänger lernen muss. Das altbekannte Schema wird auf den Kopf gestellt. Es heißt nicht mehr “Frage - Antwort - ggf. Begründung”, sondern auf einmal: “Frage - Prüfung - Ergebnis”. Nicht nur in der Klausur, sondern auch schon in den Arbeitsgemeinschaften und Übungen, also in der mündlichen Diskussion.
Natürlich fragt man sich, muss das denn sein? Sollte es nicht mehr auf die richtige Antwort ankommen als auf die Technik, in der ich sie präsentiere? - Nun, auf die kommt es natürlich an. Aber - welches ist die “richtige” Antwort? Das ist in der Rechtswissenschaft meistens leider nicht so einfach. Und oft gibt es mehrere “richtige” Antworten. Entscheidend ist die Begründung, die zu dieser Antwort geführt hat; ein wenig wie im Matheunterricht, wo man seinen “Lösungsweg” darstellen musste. Hier ist es stattdessen die “Fallprüfung”, um die es geht. Und sie besteht im Grunde genommen aus unzähligen kleinen Antworten, die am Ende zu einem Ergebnis führen. Ein Beispiel (nur ganz leicht überspitzt formuliert ;-)):
Frage: A behauptet, B sein Motorrad für 4.000,- verkauft zu haben, und verlangt von B, diesen Betrag an ihn zu bezahlen. Hat A recht?
“Schulantwort”: Ja, weil, im Sachverhalt steht ja, der A hat dem B das verkauft, und deshalb muss er es auch bezahlen.
“Jura-Antwort”: A könnte einen Anspruch auf diese 4.000,- gegen B haben, wenn zunächst zwischen beiden ein Kaufvertrag nach § 433 BGB zustande gekommen ist.
Die “Jura-Antwort” sieht auf den ersten Blick gar nicht wie eine Antwort aus; sie bestätigt oder verneint ja nichts, sondern stellt nur eine Hypothese (den berühmten “Obersatz”) auf. Dennoch enthält sie sehr viel mehr Informationen als die “Schulantwort”: Sie sagt uns vor allem, dass das Vorhandensein eines Kaufvertrags nach § 433 BGB für den Zahlungsanspruch entscheidend ist - das heißt, sie gibt uns den nächsten Schritt vor, der auf dem Weg zu einem sauberen juristischen Ergebnis hin zu tun ist, nämlich: Prüfung der Tatbestandsmerkmale von § 433 BGB. Insgesamt gibt sie folgende “kleine” Antworten: Erstens, wir befinden uns im Zivilrecht, Schuldrecht, um genau zu sein. Zweitens, es muss ein Kaufvertrag zustande gekommen sein, damit As Anspruch berechtigt ist. Drittens - das sagt das Wörtchen “zunächst” - es gibt noch andere Voraussetzungen, die geprüft werden müssen, wenn der Kaufvertrag bejaht werden konnte. Die “Jura-Antwort” ist also, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so klingt, sehr viel mehr eine Antwort als die “Schulantwort”. Und sie gibt auch gleichzeitig den weiteren Prüfungsweg vor.
Wie schafft man es, sich innerlich so umzustellen, dass einem die “Jura-Antwort” leichter von der Zunge geht? Man muss das erste, impulsive “Ja” oder “Nein” schlicht hinunterschlucken. Stattdessen sagt man sich im Inneren noch einmal die gestellte Frage vor - im Beispiel oben: Hat A recht? - und tut dann im Grunde nichts weiter, als sie in einen Konditionalsatz umzuformulieren: A hat recht, wenn - Und wenn einem für dieses “wenn” etwas eingefallen ist - dann hat man den ersten Einstiegspunkt in die Fallprüfung gefunden.